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So amerikanisch wie … Apfelkuchen?!

Letzte Woche war ich zu Gast im Podcast “Brunch”, den die fabelhafte Helene Pawlitzki für die “Rheinische Post”* produziert. Aufhänger war “Cook Across America“, das neue Buch, das ich zusammen mit der Foodbloggerin Gabi Frankemölle geschrieben habe. Als Helene fragte, ob wir trotz der Vielfalt der US-amerikanischen Küche eine Gemeinsamkeit, einen roten Faden sehen, war eins meiner Paradebeispiele apple pie.

Als “typisch amerikanisch” international bekannt sind Hamburger und Hotdogs. Die gibt’s tatsächlich fast überall in den USA, und jede Ecke scheint ihre eigene Variante zu haben. Dasselbe gilt für apple pie: Er ist überall in den USA zu haben, aber jede Familie hält das eigene Rezept für das Original. Manche Amerikaner*innen flechten ein Teiggitter, andere würden ihren Apfelkuchen niemals ohne Streusel servieren, wieder andere bevorzugen die Apfeltasche. Ob Butter oder Schmalz in den Teig gehört oder welche Äpfel wie lange mit welchen Gewürzen kochen sollen, darüber wollen wir lieber keinen Streit vom Zaun brechen.

Lecker schmeckt apple pie auf jeden Fall. Deshalb steht die Redewendung “as American as apple pie” für das Beste, was die US-Kultur zu bieten hat. Baseball und Beyoncé, Superman und Sitcoms. Coffee refills und Foodtrucks. Jeans, Cowboystiefel, Jazz und Blues. Und Punkrock natürlich.

Wie der Apple Pie zum amerikanischen Kuchen wurde

US-Soldaten im II. Weltkrieg sollen gegenüber Journalist*innen gesagt haben, sie zögen in den Kampf “for mom and apple pie“. Also für Mama und Apfelkuchen. Dadurch soll sich die Redewendung weit verbreitet haben, etwas sei so amerikanisch wie Apfelkuchen. Diese patriotische Verbindung wurzelt in der Volkssage von Johnny Appleseed.

Sie erzählt von einem jungen Mann, der überall in den Vereinigten Staaten Apfelbäume sät und die Natur über alles liebt. In einem Disney-Film von 1948 schwirren sogar blaue Vögelchen um Johnny herum. Die Legende beruht auf einer Figur, die wirklich gelebt – und gesät – hat: John Chapman. Im frühen 19. Jahrhundert reiste er den Trecks in den Westen der USA voran, legte Tausende Apfelhaine an und verkaufte sie später an die ankommenden Siedler*innen. Die buken damit allerdings keinen Kuchen, sondern brauten apple cider. Weil im Wasser alle möglichen Keime stecken konnten, schien Alkohol die gesündere Wahl.

Drei kleine, grüne Äpfel, die in den USA crab apples heißen
Sehr sauer: Crab apples – nordamerikanische Wildäpfel. Foto von JamesDeMers über Pixabay

Wildäpfel aus Nordamerika – crab apples – mochte niemand in einen Kuchen stecken: Sie sind äußerst sauer. Die Äpfel, die heute den apple pie versüßen, stammen aus Europa und Asien. Sie sind nicht die einzigen Zutaten, die auf dem Kontinent verhältnismäßig neu sind: Kein Weizenhalm wuchs vor Ankunft der Europäer*innen in Nordamerika, kein Rindvieh graste die Prärie ab, aus dessen Milch Butter hätte geschlagen werden können.

Das erste veröffentlichte Apfelkuchenrezept stammt von 1381 und aus England; in den USA entwickelte diese Idee ein Eigenleben. Das ging dann aber so weit, dass ein Redakteur der “New York Times” im Jahr 1902 höchst allergisch auf den Einwand eines Engländers reagierte, pie sollte höchstens zwei Mal pro Woche gegessen werden:

[Eating pie twice per week] is utterly insufficient, as anyone who knows the secret of our strength as a nation and the foundation of our industrial supremacy must admit. Pie is the American synonym of prosperity, and its varying contents the calendar of changing seasons. Pie is the food of the heroic. No pie-eating people can be permanently vanquished.

New York Times, 1902

Übersetzt: “Pie nur zweimal pro Woche zu essen reicht absolut nicht aus, das muss jeder zugeben, der das Geheimnis unserer Stärke als Nation und die Basis unserer industriellen Überlegenheit kennt. Pie ist das amerikanische Synonym für Wohlstand, und seine wechselnde Füllung ein Kalender der Jahreszeiten. Pie ist das Essen von Helden. Kein Pie-essendes Volk kann dauerhaft besiegt werden.”

Solche Geschichten über die Geschichte des amerikanischen Apfelkuchens könnt ihr zum Beispiel im Smithsonian Magazine oder bei Priceonomics nachlesen.

Nun ließe sich einwenden, ein blueberry cobbler wäre eigentlich amerikanischer als Apfelkuchen, weil zumindest die Blaubeeren aus Neuengland stammen, oder noch besser ein historischer Snack aus Beeren und Tierfett. Zwar sind Gerichte mit heimischen Zutaten sehr lecker, und Einblicke in regionale Traditionen von Native Americans spannend. Beides zeigt aber nur einen Ausschnitt aus den heutigen USA.

In einem Einwanderungsland bringen Menschen immer wieder neue Zutaten und Rezepte mit. Ungefähr jeder siebte Mensch, der heute in den USA wohnt, wurde im Ausland geboren. Von außerhalb Amerikas stammen auch die Vorfahren der allermeisten, die heute die USA einmauern wollen wie ein Mausoleum. Wer sich vor Kulturen außerhalb von Nordamerika fürchtet … sollte konsequenterweise keinen Apfelkuchen essen?! Hamburger übrigens auch nicht – sowohl der Weizen für die Brötchen als auch die Rinder für die Frikadellen stammen aus der Fremde.

So ausführlich habe ich im “Brunch”-Podcast nicht über apple pie gesprochen. Aber dafür über mehr kulinarische Themen als Apfelkuchen. Den Podcast über die amerikanische Küche könnt ihr euch hier anhören.

* Hinweis: Ich arbeite als freie Journalistin für die Onlineredaktion der “Rheinischen Post”, bin also quasi eine Kollegin von Helene Pawlitzki. Ihren Namen und ihren Posten kannte ich, aber erst durch das Buch und diese Podcast-Aufnahme hatte ich zum ersten Mal mit ihr zu tun – und sie hat jetzt einen weiteren Fan.

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Notizbuch

Das neue Amerika-Kochbuch: Cook Across America ist da!

Es dauert eine ganze Weile, ein Amerika-Kochbuch zu schreiben. Zumindest, wenn die Autorinnen es so genau nehmen wie Gabi und ich. Hier erfahrt ihr, was sich unter dem bunten Deckel meines neuen Buchs „Cook Across America” verbirgt – und wie es überhaupt zu diesem Buch kam. Wenn ihr miterleben wollt, wie es war, als endlich, endlich das Paket vom Verlag bei mir eingetrudelt war, könnt ihr euch ein Unboxing-Video auf LinkedIn oder ein Reel auf Instagram anschauen.

Worum geht’s in „Cook Across America”?

„Cook Across America” ist ein Amerika-Kochbuch mit Kulturbeilage. Mit Rezepten, Interviews und Geschichten gehen Gabi Frankemölle und Petrina Engelke (jau, das bin ich!) darin zwei Fragen nach:

Was essen Amerikaner*innen wirklich?
Und wer bringt dieses Essen auf den Teller?

Als roter Faden quer durchs Land dient uns die Route 66. Gabi hat die legendäre Strecke von Chicago bis Los Angeles bereist, sich dort durchgefuttert und geprüft, welche ihrer Rezepte in unser Amerika-Kochbuch dürfen. Von mir stammen Geschichten und Interviews aus den acht Bundesstaaten entlang der Route 66, da erfahrt ihr dann, was dort wächst (oder grast), wie die Leute dort kochen (oder essen), welche Merkwürdigkeiten ich entdeckt habe und auch, wie sich der Klimawandel auf die Lebensmittel und das Leben in den USA auswirkt.

Welche Rezepte stehen im Buch?

Klassiker und zeitgemäße Küche treffen sich in „Cook Across America” genauso wie Gerichte, die wir an vielen Ecken der USA serviert bekommen und solche, die stark mit einer Region verbunden sind. Meatloaf, Apple Pie und Old-Fashioned Lemonade wie aus dem 40-er Jahre-Diner mit Neonreklame, während Energie-spar-LED-Lampen Avocado-Toast, Overnight Oats und Pumpkin Lentil Soup beleuchten, plus Deep Dish Pizza aus Chicago, St. Louis Style Ribs und Breakfast Burritos aus New Mexico.

Alle 66 Rezepte stammen von der Foodbloggerin Gabi Frankemölle, die seit mehr als 25 Jahren bei USA Kulinarisch über die amerikanische Küche schreibt. Für unser Buch hat Gabi außerdem tolle Fotos von ihrer Route 66-Reise begesteuert, plus eine Anekdote von unterwegs für jeden der acht Bundesstaaten entlang der Strecke.

Welche Geschichten runden „Cook Across America” ab?

So manche Lebensmittel, die vor 400 Jahren einzig und allein in Amerika wuchsen, isst heute die ganze Welt, als wäre das schon immer so gewesen. Chilischoten wachsen inzwischen sogar im Weltall – das erfahrt ihr in einer der 16 Geschichten und Interviews in diesem Amerika-Kochbuch. Zu entdecken gibt es auch, wie Ahornsirup geerntet wird, was Rindviecher mit dem Geruch des Geldes zu tun haben und Waldbrände mit der Weinernte. Wie viele Facetten die amerikanische Küche hat, deuten Interviews mit der Enchilada Queen von Texas (über Tex-Mex) und der Navajo-Radiojournalistin Andi Murphy (über New Native American Cuisine) an.

Diese Geschichten habe ich mit Hilfe vieler Interviews und Videokonferenzen recherchiert und mich über die Geduld von Fachleuten gefreut, die mir zum Beispiel gezeigt haben, wie Salatfelder mit einem Bewässerungssystem aussehen oder wie sich Schärfe messen lässt. Vorab und drumherum habe ich mich in Artikel, Studien und Sachbücher vertieft, und Dokumenten bin ich bis zur Library of Congress nachgejagt.

Wie seid ihr darauf gekommen, dieses Amerika-Kochbuch zu schreiben?

Auf die Idee haben uns Leser*innen wie ihr gebracht. Da hatten wir grad zusammen ein Buch geschrieben: Für das Feiertags-Kochbuch „American Christmas” hatte Gabi mich ins Boot geholt, damit ich ihre Rezepte garniere mit Geschichten über Friendsgiving, Hanukkah und den Ursprung des Weihnachtsmanns.

Zur Veröffentlichung fragten wir Leser*innen, was sie gerne als nächstes von uns lesen würden. Da kristallisierte sich heraus, dass regionale Unterschiede von Interesse wären. Tatsächlich konzentrieren sich (deutschsprachige) Amerika-Kochbücher meist auf Zubereitungsarten wie z.B. Barbecue und auf wenige Orte wie New York oder Kalifornien. Tja, und mit Neugier als Berufskrankkeit – wir sind freie Journalistinnen – mussten wir einfach rausfinden, was es im tiefsten Inland der USA zu essen gibt und wie Landschaften von Wüste bis Küste die Küche beeinflussen.

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Interview

Was der Klimawandel für Ahornsirup bedeutet – Interview mit dem Waldökologen Joshua Rapp

Winter und Frühling ringen gerade um die Macht, und wenn zwei sich streiten, freut sich die Dritte: Jetzt ist Erntezeit für Ahornsirup. Wieso eigentlich? Darüber habe ich Joshua Rapp gesprochen. Der Waldökologe befasst sich mit Zuckerahorn, auf gut Latein acer saccharum.

Mehr zum Hören:
Ahornsirup hat bei der Umfrage fürs nächste Podcast-Thema gewonnen! Deshalb habe ich dieses Interview gemacht, aber wie gewohnt ist Josh nicht der Einzige, den ihr im Podcast zu hören bekommt. Ende des Monats ist’s soweit!
Mehr zum Lesen (und Kochen):
Meine Recherchen über Ahornsirup angestoßen hatte das Buchprojekt „Cook Across America“ (mit Rezepten von Gabi Frankemölle von USA Kulinarisch), und es erscheint Ende März! Im Buch könnt ihr ein Interview lesen mit Debby und Mike Funk von Funks Grove Maple Sirup an der Route 66.
Ahornzucker am Stiel und auf Eis: Maple Taffy oder Maple Toffee ist eine beliebte Süßigkeit in Kanada und Neuengland.
Maple Taffy: Ahornzucker am Stiel und auf Eis.

Foto: gautherottiphaine via Pixabay

Von Joshua Rapp lerne ich, dass Zuckerahornbäume im Osten Nordamerikas zu den am weitesten verbreiteten Bäumen gehören – sie wachsen von North Carolina bis nach Kanada. Die meisten gibt’s im nördlichen Teil dieses Gebiets, und so wundert es nicht, dass der allermeiste Ahornsirup aus Kanada kommt, und dort vor allem aus Quebec. Auch Neuengland ist für seine sugar shacks bekannt. Dort entsteht Ahornsirup, fester Ahornzucker, maple butter als Aufstrich und maple taffy (in Kanada maple toffee), ein beliebtes Naschwerk.

Das Verfahren, wie Ahornsaft geerntet wird, hat sich über Jahrhunderte nur wenig verändert. Ausbaldowert haben es indigene Völker im Norden Nordamerikas. Wie das geht und was dabei im Ahornbaum passiert, hat mir Josh Rapp anschaulich erklärt. Im Interview begegnet ihr einer Art Staubsauger für Baumsaft, löcherstopfenden Bakterien und einem Forschungsergebnis über Ahornzucker und Klima, das mir ein Bild von hechelnden Bäumen vors geistige Auge gepflanzt hat.

Joshua Rapp ist Waldökologe bei der Audubon Society von Massachusetts und forscht an der Harvard-Universität an einem Lehrstuhl mit dem poetischen Namen Harvard Forest.

Josh, wo werden Ahornbäume deiner Ansicht nach in Zukunft wachsen, wandern sie nach Norden?

Es ist unklar, ob sich Ahornbäume nach Norden verlagern können, selbst wenn das Klima dort besser für sie geeignet sein wird als jetzt. Denn weiter nördlich in Kanada eignet sich der Boden nicht so gut für Ahornbäume. In einem wärmeren Klima können sie weiterhin gedeihen, sofern sie den richtigen Boden vorfinden und dieser feucht ist, es also viel Regen gibt. Allerdings sind Ahornbäume nicht konkurrenzstark. Andere Bäume, die bisher weiter südlich stärker verbreitet sind und schneller wachsen, können in einem erwärmten Klima den Ahorn verdrängen. Ihnen gegenüber hatten Ahornbäume bislang den Vorteil, dass sie bei kühleren Temperaturen wachsen können. Hier bei mir in Massachusetts zum Beispiel gehört Ahorn zu den am frühesten knospenden und blühenden Bäumen. Sie strecken ihre Blätter früher aus als Eichen und im Süden verbreitete Baumarten, und das ist natürlich ein Vorteil im Wald.

Blick von unten in die Krone eines Ahornbaums, dessen Blätter grün, gelb und orange leuchten.
Die Krone eines Ahornbaums im Herbst. Foto: Natasha G über Pixabay

Welche Folgen des Klimawandels könnten Ahornbäumen Probleme machen?

Sie vertragen keine Trockenheit. Bei höhreren Temperaturen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es häufiger zu Dürreperioden kommt, und das gefährdet das Überleben der Bäume. Ihnen droht noch eine weitere Gefahr, die nicht direkt mit dem Klimawandel zu tun hat: Schädlinge und Krankheiten verbreiten sich mit der hohen Mobilität der Menschen. Wir schicken Sachen um die ganze Welt, und manchmal schicken wir dabei Holzkrankheiten und Schädlinge mit, die Bäume befallen, wie etwa der Asiatische Laubholzbockkäfer. Bei einigen dieser Schädlinge gibt es einen Klimabezug in dem Sinne, dass man sie in kälteren Regionen in Schach halten kann, sie sich aber mit der Erderwärmung auch dort ausbreiten können.

Sagen wir mal, unseren Ahornbäumen geht es prima, und jetzt geht’s an die Ernte. Warum findet die im Winter statt?

Nur ein ganz bestimmtes Wettermuster bringt den Saft in den Bäumen zum Fließen: Frost-Tau-Zyklen. Meist bedeutet das Nächte unter dem Gefrierpunkt und wärmere Tage. Das Gefrieren eines Zuckerahorns zieht Wasser aus dem Boden in die Baumkrone, und dort wird es zu Pflanzensaft. Wenn der Baum am nächsten Tag auftaut, geht der Saft zurück in die Gefäße des Baums, die man sich wie Röhren vorstellen kann, die im Baum rauf- und runterlaufen. Darin fließt der Saft dann wieder nach unten. Das funktioniert nur bei wenigen andere Baumarten, und Ahorn, besonders Zuckerahorn, hat den süßesten Saft. Ihn sammeln Ahornsiruperzeuger*innen, indem sie ein Loch in den Baumstamm bohren, aus dem der Saft herauslaufen kann, und dann müssen sie nur noch auf Frostwechsel warten.

Wo liegen da die Knackpunkte, die für deine Klimaforschung interessant sind?

Der Zeitpunkt und die Dauer dieser Frost-Tau-Zyklen beeinflusst, wie viel Saft geerntet wird. Mit der Erderwärmung sollte sich diese Periode der Frost-Tau-Zyklen logischerweise auf früher im Jahr verschieben, aber wir beobachten jetzt auch: Sie wird ungleichmäßiger. Früher konzentrierten sich Frost-Tau-Zyklen zum Frühling hin, jetzt können sie den ganzen Winter lang auftreten. Und dazwischen kann es Phasen mit sehr starker Kälte geben oder tagelang überhaupt keinen Frost. In beiden Fällen fließt kein Saft.

Nahaufnahme von einem Metall-Ausguss im Stamm eines Ahornbaums, unter dem ein Eimer hängt.
Ernte im Winter: Über diesen Ausguss im Baumstamm soll der Ahornsaft in den Eimer fließen. Foto: thankful4hope über Pixabay

Das klingt anstrengend für die Erzeuger*innen. Beeinflusst diese Veränderung auch die Qualität der Ernte?

Den Zuckergehalt und die Saftqualität untersuchen wir in einem Forschungskollektiv, bei dem ich mitmache, dem Acer Climate and Socio-Ecological Research Network, kurz AcerNet. Acer ist der wissenschaftliche Gattungsname für Ahorn. An sechs verschiedenen Orten über das Verbreitungsgebiet verteilt haben wir untersucht, wie viel Saft im Baum fließt, wie viel Saft geerntet wird und welchen Zuckergehalt der Saft hat. Außerdem haben wir die chemische Zusammensetzung untersucht und auf Phenolharze geschaut, die zum Geschmack beitragen. Diesen Teil leitet meine Kollegin Selena Ahmed an der Montana State University, und dazu haben wir noch nichts veröffentlicht. Aber zum Zuckergehalt kann ich schon etwas sagen:

An Orten mit einem wärmeren Sommer ist der Ahornsaft im folgenden Winter weniger süß.

Wir wissen nicht, warum das so ist. Unsere Hypothese ist: Weil mit den Temperaturen auch die Atmungsaktivität steigt, verbrauchen die Bäume mehr von dem Zucker, den sie während der Wachstumsperiode mit der Photosynthese erzeugen. Die Bäume müssen sozusagen härter für ihren Stoffwechsel und ihr Gewebe arbeiten, und sie lagern weniger Zucker langfristig ein. Diese Hypothese konnten wir aber noch nicht mit einer Studie testen. Wir haben allerdings beobachtet, dass der Zuckergehalt auch sinkt, nachdem die Bäume besonders viele Samen gebildet und entsprechend viel Energie verbraucht haben. Wenn der Klimawandel fortschreitet, könnte es sein, dass der Zuckergehalt im Ahornsaft sinkt, und das möglicherweise in allen Gebieten. Im Moment ist er im Norden am süßesten.

Nun denken ja viele Menschen darüber nach, wie die Natur sich an den Klimawandel anpassen wird und was sie dazu beitragen können. Also zum Beispiel, Ahornbäumen beim Überleben helfen. Als Süßzahn fände ich es natürlich ein Plus, wenn sogar noch genug Saft abzapfbar wäre. Kannst du mir ein Bild davon malen, welche Chancen der Klima-Anpassung es für Ahornbäume gibt, und wo die Grenzen liegen?

Ja, da gibt es zwei Komponenten. Die eine betrifft, wo die Bäume stehen und wie gesund sie sind. In diesem Bereich verläuft Anpassung sehr langsam, denn Ahorn wächst langsam und wird alt. Kaum ein Ahorn-Farmer pflanzt einen Baum mit dem Ziel, ihn anzuzapfen. Stattdessen wird meist ein Waldstück gesucht, in dem schon viele Ahornbäume stehen. Traditionell hat man dort dann alle anderen Bäume entfernt, damit die Ahorne mehr Platz haben, um schneller, höher und mit größerer Krone zu wachsen, denn all das bringt man mit einer besseren Safternte in Verbindung. Dieses Auslichten verbessert zwar die Gesundheit des einzelnen Baums, geht aber auf Kosten des ganzen Wäldchens. Es wird anfälliger für den Klimawandel, weil dort nur noch eine Baumart steht, möglicherweise noch in ungefähr derselben Größe. Bei Sturm, Insektenbefall und so weiter könnten deshalb alle Bäume sterben, und dann gibt es da überhaupt keinen Wald mehr. Um einen Wald an den Klimawandel anzupassen, sollte man für Vielfalt sorgen, also dort verschiedene Baumarten belassen oder ansiedeln, am besten in verschiedenem Alter. Das Problem: Ein solcher Mischwald trägt nicht gerade zur kurzfristigen Maximierung des Ertrags für die Ahornsirupproduktion bei.

Wie könnten sich Ahornsirup-Erzeuger*innen an den Klimawandel anpassen?

Für sie ist es wichtig, ihr Geschäft breiter aufzustellen. Die meisten Produzent*innen stellen nicht allein Ahornsirup her. Und bei der Produktion gibt es technische Hilfsmittel: Zwar ist ein Frost-Tau-Zyklus nötig, damit der Saft überhaupt zu fließen beginnt, aber dann lässt sich der Saft quasi aus dem Baum saugen mit Hilfe von Vakuumpumpen an einem Röhrensystem, an das alle Abflüsse angeschlossen sind. Diese Technik bietet einen Puffer gegen Perioden, in denen es eigentlich zu warm ist – der Saft fließt trotzdem. Allerdings hat die Methode auch ihren Preis. Studien haben erwiesen, dass stärkeres Saftabzapfen, ob mit Vakuumpumpen oder mit mehr Abflusslöchern, das Wachstum der Bäume drosselt. Diese Bäume sind mit der Zeit wahrscheinlich weniger produktiv und auch weniger gesund, sie leben weniger lange. Es muss also ein Kompromiss gefunden werden zwischen einer Anpassung, die kurzfristig eine hohe Produktionsmenge ermöglicht, und der langfristigen Gesundheit dieser Wälder, die den Rohstoff für künftige Ahornsafternten erhält.

Wegen solcher Herausforderungen ist ein Austausch zwischen der Lebensmittelerzeugung und der Wissenschaft entstanden. Welche Fragen bekommst du vonseiten der Landwirt*innen oder Hersteller*innen zu hören, was würden sie dich als Waldökologen am liebsten erforschen lassen?

Für Produzent*innen ist Vorhersagbarkeit wichtig. Ein gewisses Maß an Ungewissheit sind Bauern und Bäuerinnen gewohnt, egal was sie anbauen. Einfach weil das Wetter von Jahr zu Jahr anders sein kann. Aber jetzt wird vieles bei der Ahornsirupproduktion noch viel unberechenbarer, und das ist für die Hersteller*innen problematisch. Deshalb würden sie gern wissen, wie sich der besten Zeitpunkt zum Anzapfen bestimmen lässt, während es immer wärmer wird und es immer schwieriger wird, diesen Zeitpunkt zu finden. Im Moment zapfen die großen Ahornsirupproduzent*innen glaube ich Mitte Januar an. Das ist zum einen eine Reaktion darauf, dass der Saft inzwischen viel früher zu fließen beginnt, zum anderen darauf, dass ihre Produktion immer größer wird und es mehrere Wochen dauern kann, all diese Bäume anzuzapfen.

Und was ist das Problem an einer längeren Erntesaison?

Wenn die Bäuerinnen und Bauern so früh anfangen, bekommen sie zwar schon die ganz frühen Abflüsse aus dem Ahornbaumstamm mit. Auch das hat aber eine Kehrseite. Weil Wärmeperioden im Winter immer häufiger auftreten, brechen die Bäume ihre Knospen und beginnen, Blätter und Blüten zu erzeugen. Das mindert die Saftqualität. Außerdem haben wir entdeckt, dass nach solchen Wärmeperioden weniger Saft fließt. Das liegt daran, dass Bakterien, die den Saft mögen, sich in die Zapflöcher setzen, sich dort vermehren und sie mit der Zeit verstopfen. In einer kurzen Erntesaison war das kein Problem. Jetzt ist die Saison nicht mehr so konzentriert wie früher, sie ist länger und weniger berechenbar. Und der Zuckergehalt des Ahornsafts bleibt nicht über die ganze Erntezeit gleich. Wo ich wohne, in Neuengland, ist der Zuckergehalt zum Beispiel anfangs niedrig, steigert sich im März und nimmt dann wieder ab. Es gibt also einen Zeitpunkt, wo du den meisten Zucker herausholen kannst. Wenn der aber nicht mit der Zeit zusammenfällt, in der der Saft gut fließt, dann wirst du wahrscheinlich weniger Ahornsirup herstellen.

Ein Stapel dicke Pfannkuchen, auf die Ahornsirup geträufelt wird.
Ein Klassiker beim amerikanischen Frühstück: Pfannkuchen mit Butter und Ahornsirup. Foto: bvoyles4 über Pixabay

Du wohnst in Massachusetts, wo man Ahornsirup kaum übersehen kann: Hofläden und Stände verkaufen ihn an den Landstraßen. Ist Klimawandel ein Thema für die Menschen in der Region?

Ja, definitiv. Mit AcerNet machen wir auch Umfragen unter Ahornsirupproduzent*innen. Dabei haben wir festgestellt, dass Klimawandel definitiv ein Thema ist, über das sie nachdenken. Ob sie als Reaktion darauf ihr Verhalten ändern, ist weniger klar zu benennen. Auch in der Bevölkerung gibt es ein Bewusstsein, glaube ich. Ich meine, jedes Jahr um diese Zeit, zur Ahornsirupernte, bekomme ich mehrere Medienanfragen speziell zu Ahorn und Klimawandel. Und wenn ich irgendwo erzähle, dass ich über Ahorn forsche, kommt meist die Frage, wie der Klimawandel den Ahornsirup betreffen wird. Die Leute mögen Ahornsirup halt sehr.

Was würdest du gern erforschen, wenn du unbegrenzte Forschungsmittel hättest?

Bei der Forschung mit AcerNet hatten wir sechs Orte, an denen wir täglich auf dieselbe Art und Weise Proben entnehmen konnten. Das war schon einzigartig, denn die meisten Studien müssen sich auf einen Ort beschränken, und weiterreichende Studien müssen sich meist auf kumulierte Produktionsdaten stützen. Um die Auswirkungen des Klimas auf die Ahornsirupproduktion wirklich zu verstehen, wäre es toll, viel mehr Orte über das gesamte Zuckerahorn-Verbreitungsgebiet zu haben, an denen täglich Daten nach demselben Muster gesammelt werden. Dann könnten auch Unterschiede im Boden, in den Eigenschaften des Waldes und der einzelnen Bäume einbezogen werden. Das würde ich machen, wenn ich unbegrenzte Finanzierung hätte – und auch die nötigen Projektmitarbeiter*innen, denn an jedem Ort müsste jemand diese Forschung betreuen.

Kuhkultur: Cowboyhut, Rodeo, Veggieburger

Steak, Burger, Grillduft: Das fällt vielen als Erstes beim Thema Kühe und USA ein. Zu Recht! Auf dem Weg vom Rindfleisch zurück zum quietschlebendigen, aber bockenden Bullen geht’s quer durch die amerikanische Kultur. Da begegnen wir Wildwest-Gestalten, glücklich grasenden Kühen und einer Umarmungsmaschine, wir kauen an Rindfleisch-Klimafolgen und der veganen Frage und landen irgendwie beim Gender Pay Gap –mitten in der Rodeo-Arena. Mein Interviewgast ist nämlich Lari Dee Guy, eine Profi-Rodeoreiterin mit 44 Jahren Erfahrung in diesem Sport.

Thanksgiving

So schön klingt die Geschichte vom fröhlichen Erntedankfest der Siedler*innen der Mayflower mit den hilfreichen Wampanoag. Wahr ist daran aber fast nichts. Auf der Suche nach dem Ursprung des wichtigsten Familienfeiertags versinke ich erst mal im Zuckerguss, der über der amerikanischen Kolonialgeschichte klebt. Ich stoße auf ein Massaker, aber auch auf einen wichtigen politischen Schritt, um gesellschaftliche Spaltung in den USA zu überwinden. Das wird ein Ritt! Unterwegs entdecke ich die Top-Influencerin des 19. Jahrhunderts und die Tücken des Truthahnbratens, und all das mache ich natürlich nicht alleine. Zu Gast sind diesmal der Mashpee Wampanoag-Kulturhistoriker Darius Coombs und eine Expertin für die amerikanische Küche, Gabi Frankemölle.

Bonus: Interview mit Sophia Hoffmann (Zero Waste Küche)

Für alle, die die Folge “Food Waste – Ideen für Lebensmittelabfall” neugierig gemacht hat, gibt es jetzt lecker Nachschlag – nämlich die ausführliche Fassung des Interviews mit der Köchin, Autorin und Unternehmerin Sophia Hoffmann aus Berlin. Hier gibt’s einen kurzen Überblick über unsere Gesprächsthemen – und natürlich weiterführende Links.

Food Waste – Ideen für Lebensmittelabfall

Lebensmittelreste gehören nicht auf die Müllkippe. Das ist mir klar, seit ich für die neueste Folge von Notizen aus Amerika recherchierte. Wollt ihr auch darüber staunen, was aus Kartoffelschalen, Matschtomaten und Biermaische werden kann (und was Letzteres überhaupt ist)?

Corona-Spezial: Kultur, Hackfleisch, Chicago

Diese Folge nimmt auseinander, wie sich das Coronavirus auf den Nachschub an Hamburgern auswirkt, was die Ausgangsbeschränkungen für die amerikanische Kulturszene bedeuten und wie es derzeit in Chicago zugeht. Dazu gibt es Interviews mit der New Yorker Performance-Künstlerin Penny Arcade und dem Autor Kai Blum aus Chicago.