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Recherche-Orte: Ein Glaspalast mit grünem Dach

Überraschung im riesigen Messe- und Konferenzzentrum von New York: Möwenküken und eine Farm!

Bei einer Klimakonferenz im Javits Center in Manhattan, veranstaltet vom Climate Reality Project*, bin ich zum dritten Mal haarscharf daran vorbei geschrammt, den coolsten Teil des riesigen Messezentrums zu betreten: ein grünes Dach.

Grünes Dach - Javits Center, Messezentrum von New York

Mein erster Besuch im Javits Center war vor vielen Jahren bei der Book Expo America, der größten Buchmesse der USA, die seit der Corona-Pandemie nicht mehr stattfindet. Damals ahnte ich nichts davon, dass der 1986 eröffnete Glaspalast ein Massengrab für Vögel war.

Glasfassade als Vogelkiller und was sich dagegen tun lässt

Die Architekt*innen von I.M. Pei and Partners hüllten das Javits Center komplett in Glas. Damit erfrischten sie den (Schön-) Geist damit, dass Branchentreffen und Handelsmessen gar nicht zwangsläufig in fensterlosen Gebäuden stattfinden müssen. Aber leider können Vögel Fenster und Glasfassaden nicht als knallhartes Hindernis erkennen, und aus Vogelperspektive betrachtet liegt das Javits Center auf dem Great Atlantic Flyway, der Autobahn für Zugvögel. Dort endet ein Frontalzusammenstoß mit Glasfassaden oft tödlich.

Daher war der Glaspalast namens Javits Center eine der Haupt-Todesfallen für Vögel in New York City. Bis 2013 Renovierungsarbeiten anstanden, und in dem Zuge bekam das Gebäude vogelsicheres Glas: Es reflektiert kaum und hat eine Beschichtung, die aus der Nähe wie kleine Pünktchen aussieht.

Sicher für Vögel: Fenster mit Glasfrittebeschichtung im Javits Center, dem Messezentrum von New York

Was ist denn eigentlich das Javits Center?

Das Javits Center ist ein gigantisches Messezentrum mit zehn Ausstellungshallen und mehr als 100 Konferenzräumen in Manhattan. Dort finden die Comic Con und die Internationale Autoschau statt, der Verband der amerikanischen Psychiater*innen veranstaltet im Javits Center sein Jahrestreffen und bei der Engage-Konferenz diskutieren Fachleute über Finanzverbrechen, während bei der Robin Hood Dinner Dance-Gala spendable Menschen ihre eigene Großzügigkeit feiern.

Das Javits Center war das erste große Gebäude in NYC, das die besagte Vogelschutzmaßnahme an seiner Glasfassade ausprobierte. Seither seien die tödlichen Vogelunfälle um 90 Prozent zurückgegangen, berichtet die Natur- und Vogelschutzorganisation Audubon NYC. Und das ist nicht alles: Das Javits Center hat ein grünes Dach bekommen.

Dort wächst ein Mix aus Pflanzen, der das Dach kühlen und außerdem eine Vielzahl Insekten einladen soll. Und das funktioniert. Was auf dem Dach des Javits Center fleucht, schnappen sich inzwischen fünf Fledermausarten, außerdem schauen 35 Vogelarten vorbei. Im Frühjahr liegen auf dem grünen Dach sogar Nester – von Möwen.

Möwennester auf dem grünen Dach des Messezentrums von New York

Ich bin ja irgendwie recht wählerisch dabei, welche Tiere ich mag und welche nicht, und Möwen fallen irgendwo dazwischen. Bis ich zum ersten Mal ein Möwenküken sah. Die Tierchen sind zum Quieken niedlich! Und wo hab ich sie wohl entdeckt? Genau, auf dem begrünten Dach des Javits Center.

Diese Küken sah ich im Rohmaterial für die Dokumentarfilmserie “Inselwelt New York”, bei der ich unter anderem Übersetzungen und Fakten geprüft habe – zum Beispiel die Namen der ganzen Tiere, die in den Filmen vorkommen. Das grüne Dach des Javits Center war einer der Orte, wo Filmemacher Thomas Halaczinsky gearbeitet hat. Dort hat er gefilmt, wie über die Auswirkungen der Dachbegrünung geforscht wird. Und nebenbei haben sie vor der Kamera winzige Daunenbällchen herumflitzen sehen, die sich als Möwenbabys entpuppten. Weil Thomas die Doku in der heißen Phase der Pandemie gedreht hat, war er aber nur mit dem kleinstmöglichen Team auf dem Javits Center-Dach. Ohne mich.

Inzwischen ist an einer anderen Stelle des Dachs zusätzlich eine Farm entstanden, wo jede Menge Gemüse wächst. Na ja gut, Mitte April noch nicht so viel. Das habe ich abermals nur aus der Ferne gesehen.

Farm auf dem Dach des New Yorker Messezentrums Javits Center

Als Konferenzteilnehmerin hatte ich mich zwar für eine Spezialführung angemeldet (statt Mittagspause) – aber leider habe ich es nicht von der Warteliste aufs grüne Dach geschafft. Meine Fotos habe ich deshalb von drinnen gemacht. Bei der Führung sollte es sowohl auf die recht neue Dachfarm als auch auf das “regulär” begrünte Dach gehen, auf dem inzwischen außerdem Solarzellen stehen. Und wer setzt sich da gemütlich drauf? Na, (erwachsene) Möwen natürlich! Selbstredend nur, wenn ich keine Hand für einen Schnappschuss frei habe.

Javits Center Green Roof - das begrünte Dach auf dem Messezentrum von New York

* Hä? Climate Reality? Falls ihr euch fragt, was das denn nun schon wieder ist:

Das Climate Reality Project ist eine inzwischen internationale Klimaschutzgruppe, die von Ex-Vizepräsident Al Gore (“Eine unbequeme Wahrheit”) gegründet wurde. Sie setzt sehr stark auf wissenschaftliche Erkenntnisse, schneidet Kampagnen besonders (aber nicht ausschließlich) auf politische Veränderungen zu und unterstützt Mitglieder u.a. mit Kontakten zu Gleichgesinnten, Aufklärungsmaterial für Bildungsveranstaltungen und Zugang zu Fachleuten, die Fragen beantworten können.

Zudem veranstaltet die Organisation sogenannte Climate Reality Trainings – äußerst intensive Konferenzen mit Vorträgen, Diskussionen und Präsentationen. Und ein solches Training mit hochkarätigen Fachleuten fand gerade im Javits Center in New York statt. Für diese Klimakonferenz hatte ich mich erfolgreich beworben – und von dort irrsinnig viele Ideen mitgebracht und noch mehr gelernt.

Beschriftung auf einem Wasserspender: Bestmögliche Flüssigkeitszufuhr! Wir sind eine Veranstaltung ohne Plastikwasserflaschen. Warum? Weil Plastikflaschen mit Erdöl hergestellt werden, Hunderte Jahre zum Zerfallen brauchen und meist auf Müllkippen und Meeren landen.
Beschriftung auf einem Wasserspender, neben dem Gläser bereitstehen, beim Climate Reality Training in New York: “Bestmögliche Flüssigkeitszufuhr! Wir sind eine Veranstaltung ohne Plastikwasserflaschen. Warum? Weil Plastikflaschen mit Erdöl hergestellt werden, Hunderte Jahre zum Zerfallen brauchen und meist auf Müllkippen und Meeren landen.”

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